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Russische Armee erhöht militärischen Druck auf Mariupol und Kiew
Im Ukraine-Krieg steht die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol womöglich kurz vor der Einnahme durch die russischen Truppen. Die Stadt kündigte am Samstagmorgen an, die Zivilbevölkerung in Sicherheit zu bringen, nachdem ukrainische und und russische Streitkräfte eine vorübergehende Feuerpause vereinbart hatten. Später warf die Stadtverwaltung jedoch Russland Verstöße gegen die Feuerpause vor und setzte die Evakuierung aus. Auch in der Umgebung der Hauptstadt Kiew gab es weiter intensiven Beschuss.
Das russische Verteidigungsministerium kündigte am frühen Morgen eine Feuerpause für Mariupol und die nördliche Vorstadt Wolnowacha für 8.00 Uhr MEZ sowie die Einrichtung eines humanitären Korridors für Zivilisten an. Kurz darauf gab die Stadtverwaltung von Mariupol bekannt, die Evakuierung solle um 10.00 Uhr MEZ beginnen. Später hieß es jedoch, die Russen hätten den Beschuss fortgesetzt, weshalb nicht evakuiert werden könne.
Das am Asowschen Meer gelegene Mariupol mit einer halben Million Einwohnern sowie die nördliche Vorstadt Wolnowacha stehen seit Tagen unter dem militärischen Druck der vorrückenden russischen Armee. Die Hafenstadt liegt in der Nähe der früheren Frontlinie zwischen pro-russischen Separatisten aus der Ostukraine und der ukrainischen Armee. Ihre Einnahme würde einen Zusammenschluss der russischen Truppen mit Einheiten aus der Krim und dem Donbass ermöglichen.
Die russische Armee setzte auch in der Umgebung von Kiew, insbesondere im Nordwesten und Osten, ihre intensiven Bombenangriffe fort. AFP-Journalisten berichteten von augenscheinlich wahllosen Angriffen auf Wohngebiete der nahe Kiew gelegenen Stadt Irpin. Aus Vororten im Nordwesten Kiews stiegen am Freitagabend dichte schwarze Rauchwolken in den Himmel. Die russische Armee versuche, die Hauptstadt zu umzingeln, warnte die ukrainische Armee.
Nach russischen Angaben brachten die Streitkräfte der pro-russischen Separatisten in der Ostukraine sechs Ortschaften in der Region Donezk unter ihre Kontrolle. Die im Süden vorrückenden russischen Truppen nahmen demnach zehn Dörfer und Ortschaften ein.
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow räumte Gebietsverluste ein. Es sei aber weiterhin nur ein "kleiner Teil" des Landes unter russischer Kontrolle und ukrainische Kämpfer drängten "den Feind" zurück. "Die 'große Armee' hat ihr wahres Gesicht gezeigt, feige, terroristisch, bereit die Bevölkerung, Frauen, Kinder, unbewaffnete Zivilisten anzugreifen", sagte er mit Blick auf die russischen Truppen.
Kiew spricht bislang von mindestens 350 getöteten Zivilisten seit Beginn des russischen Einmarsch vor zehn Tagen und gibt an, mehr als 9000 russische Soldaten getötet zu haben, ohne Angaben zu eigenen militärischen Verlusten zu machen. Moskau spricht bislang von nur rund 500 eigenen getöteten Kämpfern sowie 2870 Toten auf ukrainischer Seite. Die Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.
Laut der UNO haben mehr als 1,2 Millionen Menschen die Ukraine verlassen, der Großteil von ihn wird in den westlichen Nachbarländern und vor allem in Polen versorgt.
Laut Mychailo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten, könnte es noch am Wochenende eine dritte Verhandlungsrunde für einen umfassenden Waffenstillstand geben. Die Chancen auf Erfolg gelten jedoch als gering. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Umsetzung "aller russischen Forderungen" als Bedingung formuliert, darunter ein "neutraler" Status der Ukraine und deren "Entmilitarisierung". Kiew lehnt dies ab.
Für Entsetzen hatte in der Nacht zum Freitag ein russischer Angriff auf das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine gesorgt. Die russische Armee hatte die Anlage mit Panzern angegriffen, woraufhin dort ein Brand ausbrach, der später gelöscht werden konnte. Das Gelände ist inzwischen von der russischen Armee besetzt. Moskau machte ukrainische "Saboteure" für das Feuer verantwortlich.
W.Nelson--AT