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Russlands Armee deutet Strategiewechsel mit Konzentration auf Ostukraine an
Im Ukraine-Krieg zeichnet sich angesichts des anhaltenden Widerstands von Armee und Bevölkerung gegen die russische Armee ein Strategiewechsel Moskaus ab. Künftig werde sich die Armee auf die "Befreiung" der Donbass-Region in der Ostukraine konzentrieren, sagte Russlands Vize-Generalstabschef Sergej Rudskoj am Freitag. Das ukrainische Militär hatte zuvor bedeutende Geländegewinne unter anderem in der Hauptstadtregion Kiew gemeldet. Laut Pentagon startete die ukrainische Armee zudem eine Offensive zur Rückeroberung der Stadt Cherson.
Die ersten bei dem "besonderen Militäreinsatz" in der Ukraine gesetzten Ziele seien erreicht und die "ukrainischen Kampfeinheiten in bedeutendem Umfang reduziert worden", sagte Rudskoj. Damit könne die Armee künftig "den Großteil ihrer Anstrengungen auf das Hauptziel richten: die Befreiung des Donbass". Rudskoj schloss gleichwohl weitere Luftangriffe auf ukrainische Städte nicht aus.
Die ukrainische Regierung wirft der russischen Armee seit Wochen vor, gezielt zivile Ziele anzugreifen. Am Freitag meldete die Polizei der zweitgrößten Stadt Charkiw den Tod von mindestens vier Zivilisten in einer medizinischen Einrichtung durch russischen Beschuss. Bewohner der nahe der russischen Grenze gelegenen Metropole sagten der Nachrichtenagentur AFP, in Charkiw sei Streumunition eingesetzt worden.
Die Stadtverwaltung der seit Wochen belagerten Hafenstadt Mariupol sprach von rund 300 Menschen, die vermutlich durch den Beschuss eines als Schutzort dienenden Theaters in der vergangenen Woche getötet worden seien.
Die 33-jährige Osksana Wynokurowa, die mit dem Zug aus Mariupol nach Lwiw fliehen konnte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie habe ihre ganze Familie und ihr Haus verloren: "Meine Mutter ist tot. Ich musste meine Mutter im Hof zurücklassen wie einen Hund, weil überall geschossen wurde."
Frankreich kündigte eine gemeinsame Initiative mit der Türkei und Griechenland zur Evakuierung Mariupols an. Der "humanitäre Einsatz" solle nach Möglichkeit in den kommenden Tagen anlaufen, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron nach dem EU-Gipfel in Brüssel.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies derweil Vorwürfe Kiews zurück, durch den Einsatz von Phosphorbomben in Wohngebieten gegen internationale Waffenkonventionen zu verstoßen.
Erstmals seit drei Wochen legte Russland offizielle Zahlen zu eigenen Verlusten in der Ukraine vor. Demnach wurden 1351 russische Soldaten getötet und mehr als 3800 weitere verletzt. Die Ukraine spricht von weitaus höheren Opferzahlen auf russischer Seite.
Nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes gelang der ukrainischen Armee zuletzt die Rückeroberung mehrerer wichtiger Orte und Verteidigungspositionen östlich der Hauptstadt Kiew. Demnach zerstörte die ukrainische Armee als Teil ihrer Strategie auch ein russisches Munitionslager.
Ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums sagte in Washington, die Ukrainer versuchten, "Cherson zurückzugewinnen". Cherson sei "derzeit wieder umkämpftes Territorium" und scheine "nicht so eindeutig unter russischer Kontrolle zu sein wie zuvor". Cherson war als erste Großstadt Anfang März von der russischen Armee eingenommen worden.
Im Zentrum der Ukraine wurde die Kommandozentrale der ukrainischen Luftwaffe in Winnyzja mit sechs russischen Marschflugkörpern angegriffen und stark beschädigt, wie die ukrainische Armee mitteilte. Das russische Militär erklärte seinerseits, es habe mit "hochpräzisen seegestützten Marschflugkörpern" das größte Treibstofflager der Ukraine in Kalyniwka bei Kiew zerstört.
Nach UN-Angaben flohen seit Beginn des russischen Angriffskrieges bereits mehr als 3,7 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland. Allein 2,2 Millionen Flüchtlinge kamen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in den vergangenen vier Wochen in Polen an.
US-Präsident Joe Biden traf zu Beginn seines zweitägigen Besuchs in Polen einige der insgesamt 10.500 im Land stationierten US-Soldaten. Mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Duda beriet Biden in der nahe der ukrainischen Grenze gelegenen Stadt Rzeszow über die humanitäre Lage in der Ukraine.
Am Samstag will Biden in Warschau Gespräche mit polnischen Regierungsvertretern führen. Zudem ist ein Besuch in einem Aufnahmezentrum für ukrainische Flüchtlinge geplant. Bidens Besuch in Polen folgt auf den Nato-Sondergipfel in Brüssel, bei dem das Militärbündnis angesichts des Ukraine-Krieges eine weitere Verstärkung seiner Ostflanke beschlossen hatte.
A.Williams--AT