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Nach israelischen Angriffen: Iran verzichtet auf Drohungen mit Vergeltung
Nach den israelischen Raketenangriffen am Wochenende hat der Iran sein "Recht und die Pflicht zur Selbstverteidigung" unterstrichen, jedoch auf eine Drohung mit unmittelbarer Vergeltung verzichtet. Irans oberster geistlicher Führer, Ayatollah Ali Chamenei, erklärte am Sonntag, die Angriffe aus Israel dürften "weder überbewertet noch verharmlost werden". Der iranische Generalstab nannte eine Waffenruhe in den Nahost-Konflikten als Priorität. In Katar sollten am Sonntag die Verhandlungen über eine Waffenruhe für den Gazastreifen wieder aufgenommen werden.
Israel hatte in der Nacht zu Samstag als Reaktion auf einen iranischen Raketenangriff Anfang Oktober Raketenfabriken und Flugabwehr-Anlagen im Iran angegriffen. Nach iranischen Angaben wurden dabei vier iranische Soldaten getötet. Der Iran bezeichnete den Sachschaden als "begrenzt". Bei den Angriffen im Umkreis von Teheran und in zwei an den Irak grenzenden Provinzen seien lediglich "einige wenige Radarsysteme" beschädigt worden.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, bestätigte, dass keine Nuklearanlagen getroffen worden seien. Auch Ölanlagen wurden offenbar nicht angegriffen.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. "Der Angriff im Iran war präzise und kraftvoll und hat alle seine Ziele erreicht", sagte er am Sonntag. "Wir haben versprochen, dass wir auf den iranischen Angriff reagieren würden, und am Samstag haben wir zugeschlagen", betonte Netanjahu.
Der Generalstab der iranischen Streitkräfte zeigte sich zurückhaltend. "Während sich der Iran das Recht vorbehält, zum passenden Zeitpunkt zu reagieren, liegt der Schwerpunkt nun auf der Schaffung eines dauerhaften Waffenstillstands in Gaza und im Libanon", hieß es. Nach Angaben des Generalstabs wurden zahlreiche Raketen abgefangen. Das Eindringen feindlicher Flugzeuge in den iranischen Luftraum sei verhindert worden.
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi, dessen Ministerium zuvor schon das "Selbstverteidigungsrecht" des Iran hervorgehoben hatte, forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats, "um eine eindeutige Position zur Verurteilung dieser Aggression einzunehmen", hieß es in einem Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres.
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari hatte den Beschuss militärischer Ziele im Iran als Antwort auf "die seit Monaten andauernden Angriffe des iranischen Regimes gegen den Staat Israel" bezeichnet.
Der Iran hatte am 1. Oktober etwa 200 Raketen auf Israel abgefeuert, von denen die meisten abgefangen wurden. Es war der zweite direkte iranische Raketenangriff auf Israel binnen sechs Monaten. Der vorherige Raketenbeschuss vom 13. April war das erste Mal überhaupt, dass der Iran von seinem Staatsgebiet aus Israel direkt angriff.
Aus zahlreichen Ländern kamen nach den israelischen Angriffen Aufrufe zur Deeskalation. US-Präsident Biden sagte, er hoffe, diese Angriffe seien "das Ende". Es sehe danach aus, als habe die israelische Armee "nichts anderes als militärische Ziele getroffen", fügte er hinzu.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte: "Meine Botschaft an den Iran ist klar: Es darf nicht immer weitergehen mit massiven Reaktionen der Eskalation." Israel habe versucht, "Personenschäden" zu vermeiden: "Damit bietet sich die Möglichkeit, eine weitere Eskalation zu vermeiden." Auch aus dem Auswärtigen Amt hieß es, durch diese "israelische Antwort auf die iranischen Raketenangriffe geht wieder ein Fenster für diplomatisches Vorankommen in Nahost und Libanon auf".
Die 27 EU-Mitgliedstaaten riefen alle Konfliktparteien "zu äußerster Zurückhaltung" auf, um eine "unkontrollierbare Eskalation" zu vermeiden.
Der Iran ist mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas verbündet, die mit ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 einen Krieg mit Israel ausgelöst hat. Zu den Partnern Teherans gehört auch die libanesische Hisbollah-Miliz, die eine zweite Front gegen Israel eröffnet hat.
Die Hisbollah bezeichnete die israelischen Luftangriffe auf den Iran als "gefährliche Eskalation". Die Kämpfe zwischen der Hisbollah und Israel hielten derweil an. Bei israelischen Angriffen in der Nähe der südlibanesischen Küstenstadt Sidon kamen am Sonntag nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens acht Menschen ums Leben, 25 weitere wurden verletzt. Am Vormittag hatte es nach Angaben der libanesischen Nachrichtenagentur einen israelischen Angriff auf einen südlichen Vorort von Beirut gegeben.
Am Vortag hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben bereits 70 Hisbollah-Kämpfer getötet und 120 Ziele im Südlibanon angegriffen, unter anderem Waffenfabriken und Lager. Nach Informationen der libanesischen Nachrichtenagentur sprengte die israelische Armee mehrere Häuser in dem als Hisbollah-Hochburg geltenden Grenzdorf Adaisseh.
Die Hisbollah bekannte sich am Sonntag ihrerseits zu einem Raketenangriff auf einen Standort der Militärindustrie nördlich von Haifa. Am Vortag hatte sie nach eigenen Angaben 80 Geschosse auf Israel gefeuert, unter anderem auf Wohngebiete im Norden Israels. Zudem attackierte die Hisbollah nach eigenen Angaben erstmals den Luftwaffenstützpunkt Tel Nof südlich von Tel Aviv mit Drohnen.
P.Hernandez--AT