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Erdogan-Rivale Imamgolu in U-Haft genommen und als Bürgermeister suspendiert
Ungeachtet der Massenproteste gegen die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu ist für den wichtigsten Rivalen von Präsident Recep Tayyip Erdogan Untersuchungshaft angeordnet worden. Zudem suspendierte das Innenministerium den Oppositionspolitiker am Sonntag von seinem Amt an der Spitze der Bosporus-Metropole. Zugleich kam es in mehreren türkischen Städten erneut zu Massenprotesten, laut Imamoglus Partei CHP beteiligten sich daran am Wochenende hunderttausende Menschen.
Die Untersuchungshaft gegen Imamoglu verhängte das Istanbuler Caglayan-Gericht am Sonntagmorgen wegen mutmaßlicher Korruption. Die von der Staatsanwaltschaft angestrebte Anordnung von U-Haft auch wegen "Terrorismus"-Vorwürfen lehnten die Richter hingegen ab. Neben Imamoglu wurde gegen weitere Mitbeschuldigte Untersuchungshaft verhängt, darunter einer seiner engsten Berater.
Nach Angaben der CHP wurde der 53-Jährige am Sonntagnachmittag in die Haftanstalt Silivri bei Istanbul verbracht. In der Haftanstalt sind oder waren mehrere prominente Oppositionelle und Journalisten inhaftiert, unter ihnen auch zwischen 2017 und 2018 der deutsche Journalist Deniz Yücel. Einer von Imamoglus Anwälten sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass per Haftbeschwerde juristisch gegen die Untersuchungshaft vorgegangen werden solle.
Wenige Stunden nach Verkündung der Untersuchungshaft gab das Innenministerium bekannt, Imamoglu seines Amts als Bürgermeister enthoben zu haben. Imamoglu sei "von seinen Aufgaben suspendiert worden", hieß es in einer Erklärung.
Imamoglus Partei CHP sprach von einem "politischen Staatsstreich" und rief dazu auf, "weiterzukämpfen". Der Oppositionspolitiker selbst gab sich am Sonntag weiter kämpferisch. "Ich stehe aufrecht, ich werde mich niemals beugen, alles wird gut", erklärte er über seine Anwälte im Onlinedienst X.
Den Slogan "Alles wird gut" hatte Imamoglu bereits im Jahr 2019 verwendet, nachdem seine Wahl zum Istanbuler Bürgermeister zunächst annulliert worden war. Bei der Wiederholung des Urnengangs siegte er dann deutlich, 2024 wurde er in das Amt wiedergewählt.
Am Samstagabend war der am Mittwoch festgenommene Imamoglu zu mehrstündigen Verhören durch die Staatsanwaltschaft in den Istanbuler Caglayan-Justizpalast gebracht worden. CHP-Chef Özgur Özel zufolge konnten er und Imamoglus Frau den Festgenommenen nach dem Ende seiner Verhöre fünf Minuten lang sehen. Özel zufolge war er "guten Mutes" und äußerte sich "glücklich" darüber, dass das Verfahren gegen ihn in der Türkei zu einem "großen Erwachen" geführt habe.
Aus Deutschland wurde erneut scharfe Kritik am Vorgehen der türkischen Justiz gegen Imamoglu laut. Das Auswärtige Amt sprach von einem "schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei" und erklärte, politischer Wettbewerb dürfe "nicht mit Gerichten und Gefängnissen geführt werden". Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, sagte der Zeitung "Welt", der türkische Präsident Erdogan sei mit der Inhaftierung Imamoglus einen "weiteren Schritt in Richtung Autokratie" gegangen.
Am Samstagabend gingen in Istanbul und anderen türkischen Städten erneut zahlreiche Menschen gegen das juristische Vorgehen zulasten Imamoglus auf die Straße. In Istanbul setzte die Polizei bei Zusammenstößen am Rande der Proteste Gummigeschosse, Pfefferspray und Blendgranaten ein, wie AFP-Reporter berichteten. Viele Menschen wurden festgenommen, offizielle Angaben zu den Festnahmen lagen zunächst nicht vor.
In der Metropole am Bosporus versammelten sich allein vor dem Rathaus zehntausende Menschen. CHP-Chef Özel sprach bei der Kundgebung vor dem Istanbuler Rathaus von "mehr als einer halben Million" Teilnehmern. Auch am Sonntag kam es wieder zu Demonstrationen für Imamoglu. Die von seiner Festnahme ausgelösten Demonstrationen sind die größten seit den sogenannten Gezi-Protesten des Jahres 2013.
Nachdem die Polizei begonnen hatte, gegen Demonstranten vorzugehen, suchten einige von ihnen Schutz am Samstag innerhalb des Gebäudes. Ein AFP-Fotograf sah mehrere Menschen, die im Rathausgebäude auf Stühlen die Nacht verbrachten und dort auf Nachrichten zum Verhör Imamoglus warteten. Auch vor dem Caglayan-Justizpalast im gleichnamigen Stadtviertel kamen rund tausend Protestierende zusammen.
Viele Demonstrationsteilnehmer schwenkten Flaggen und Plakate, auf denen gegen Erdogans Regierungspartei AKP gerichtete Parolen zu lesen waren, darunter "Diktatoren sind Feiglinge" und "Die AKP wird uns nicht zum Schweigen bringen". Auch in der Hauptstadt Ankara und der westtürkischen Stadt Izmir gab es erneut Massenproteste. In Ankara setzte die Polizei Wasserwerfer ein, um die Demonstranten zurückzudrängen.
Ungeachtet der Festnahme von Imamoglu begann am Sonntag die Vorwahl der CHP um die Präsidentschaftskandidatur der Partei, die wegen der hohen Teilnahme bis in die Abendstunden verlängert wurde. An der Abstimmung konnten nicht nur Parteimitglieder teilnehmen, die CHP rief zu einer breiten Beteiligung der Bevölkerung auf. Imamoglus Frau Dilek Kaya Imamoglu rief die Bürger im Onlinedienst X zur Teilnahme an der Abstimmung auf, um "Demokratie, Gerechtigkeit und die Zukunft" zu unterstützen.
H.Romero--AT