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EU-Kompromiss zum Ölembargo zeigt Risse in der EU
Das Ölembargo kommt, aber die bisherige Geschlossenheit der EU gegenüber Russland hat nun Risse bekommen: Knapp vier Wochen dauerten die Verhandlungen, am Ende gab es großzügige Ausnahmeregelungen vor allem für Ungarn. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban stellte sich am Dienstag als Sieger dar: "Wir haben die haarsträubendste Idee abgewehrt", sagte er in einer Videobotschaft. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber forderte, angesichts dieser Erfahrungen müsse sich die EU nun endlich vom Prinzip der Einstimmigkeit verabschieden.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich in der Nacht auf ein weitreichendes Embargo russischen Öls geeinigt. Es betrifft zunächst nur Öl, das per Schiff transportiert wird. Ein Importstopp für Pipeline-Öl, von dem Binnenländer wie Ungarn abhängig sind, soll erst später verhandelt werden. Ein Datum dafür wurde nicht genannt.
Mehrere EU-Politiker zeigten sich zufrieden mit dem Abkommen. "Es ist ein fairer Kompromiss, der beste, den wir erreichen konnten", sagte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. "Niemand will noch weiter Energie von Russland kaufen, es ist ein barbarischer Staat, auf den man sich nicht verlassen kann", sagte der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte: "Wir können Russland nicht daran hindern, Öl zu verkaufen. Aber wir sind der wichtigste Kunde." Ziel des Ölembargos sei es, Russland die Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie zu verhindern.
Kritik kam von EU-Parlamentariern. Der "lähmende Streit" um das neue Sanktionspaket habe einmal mehr gezeigt, "dass wir endlich das Prinzip der Einstimmigkeit abschaffen müssen", sagte Weber, der designierte Kandidat für den Vorsitz der Europäischen Volkspartei (EVP). "Die Leute sind es einfach satt, sich von Viktor Orban und anderen auf der Nase herumtanzen zu lassen."
"Mit einem Öl-Embargo-Light bleiben die EU-Mitgliedstaaten hinter den Erwartungen zurück", urteilte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer (FDP). Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sprach von einem "faulen Kompromiss". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe die "Glaubwürdigkeit der EU aufs Spiel gesetzt", da sie das Ölembargo ohne ausreichende Absprachen angekündigt habe.
Tatsächlich hatte von der Leyen bereits Anfang Mai von dem Ölembargo gesprochen, war dann aber auf erbitterten Widerstand vor allem aus Ungarn gestoßen. Nach dem nun beschlossenen Kompromiss darf Ungarn weiter russisches Öl über eine Pipeline beziehen. Falls diese durch die Ukraine laufende Pipeline durch den Krieg oder Sabotage beschädigt werden sollte, darf Ungarn auch auf anderen Wegen russisches Öl importieren.
Die EU-Kommission verweist darauf, dass das Embargo etwa zwei Drittel des von Russland an Europa gelieferten Öls betreffe. Werde der bereits zuvor von Deutschland und Polen bis zum Jahresende angekündigte Importstopp hinzugerechnet, seien es "effektiv" sogar 90 Prozent, betonte von der Leyen. Sie hatte sich zum Auftakt des Gipfels am Montag noch skeptisch gezeigt, ob ein Kompromiss erreichbar sei.
Das sechste Sanktionspaket gegen Moskau, das in Kürze formalisiert werden soll, umfasst auch Strafmaßnahmen gegen rund 60 Kreml-nahe Persönlichkeiten, unter ihnen das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill. Zudem sollen drei weitere russische Banken vom internationalen Finanzsystem Swift ausgeschlossen werden, darunter die Sberbank, die größte des Landes. Weiterhin sollen weitere russische Staatsmedien verboten werden.
Die französische EU-Ratspräsidentschaft hatte den Sondergipfel eigentlich einberufen, um über die gemeinsame EU-Verteidigungspolitik zu diskutieren. Borrell rief am Dienstag dazu auf, bei der Anschaffung von Rüstungsgütern enger zusammenzuarbeiten. Es sei eine "gewaltige Geldverschwendung", wenn jeder Mitgliedstaat dies für sich allein organisiere. Die Staats- und Regierungschefs wollten auch über die Folgen des Ukraine-Kriegs für die Ernährungssicherheit sprechen.
E.Hall--AT